Sekundarstufe I und II: Aktiv gegen Antisemitismus
Im Jahre 2008 führte das AJC Berlin ein Projekt für Berliner Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ein, die nichtdeutscher Herkunftssprache sind und in einem kulturell- und religiös-heterogenem Umfeld aufwachsen.
Ziel von „Aktiv gegen Antisemitismus“ ist es, Kindern und Jugendlichen grundlegende Informationen über die jüdische Religion und Geschichte zu vermitteln. Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler sich mit der NS-Zeit und Formen des historischen und aktuellen Antisemitismus auseinandersetzen. Zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte an die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler, sowie aktive Methoden ermöglichen eine hohe Partizipation.
Das dazu erstellte Lernangebot beinhaltet vier pädagogische Bausteine zu den Themenfeldern „Judentum in Tradition, Werten und Kultur“, „Identität“, „Erinnerung an den Nationalsozialismus“ und „Nahost“ und orientiert sich an den Lehrplänen der Primar- und Sekundarstufe. Über diese vier Themenfelder wird Antisemitismus direkt und indirekt in seinen Erscheinungsformen und seinem Einfluss thematisiert.
Mit diesem Curriculum wird den Lehrerinnen und Lehrern ein pädagogisches Programm zur Einführung in das Judentum sowie zum Erkennen und Benennen von aktuellem Antisemitismus an die Hand gegeben.
Lernfelder
Lernfeld 1: Identität
Die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Person durchzieht das
. Themenfeld „Identität
Sich der eigenen Interessen, Wünsche, Überzeugungen und Lebenspläne bewusst zu sein, die Absicht, sie zu verfolgen sowie das Wissen, dass eine gesellschaftliche Ordnung diese Handlungsfreiheit gewährleisten muss, ist Teil der Entwicklung demokratischer Kompetenzen.
Identität verstehen wir als eine dynamische, soziale Konstruktion, die sich aus verschiedenen Teilelementen zusammensetzt. Im Verständnis dieser Teilelemente, die durch das soziale, kulturelle, religiöse und familiäre Umfeld geprägt werden, liegt der Schlüssel zu einer Auseinandersetzung mit Identität und auch mit dem Antisemitismus.
Schülerinnen und Schüler der Zielgruppe werden in diesem Prozess häufig mit widersprüchlichen Elementen konfrontiert: Welche Wünsche habe ich für mein Leben? Was möchte ich mal beruflich werden? Welches Verhältnis habe ich zu Vater, Mutter, Geschwistern und Freunden? Was bedeutet es, Schülerin oder Schüler zu sein? Was bedeutet mir meine Religion und wie lebe ich sie? Wie sehen mich andere und welche Erwartungen werden von außen an mich herangetragen?
Das Ziel des Themenfelds ist es daher, dass die Schülerinnen und Schüler – ausgehend von ihrer persönlichen Erfahrungswelt – ein differenziertes und reflektiertes Bild ihres Identitätsentwurfs diskutieren, hinterfragen und weiterentwickeln können. Sie werden für die Entwürfe anderer sensibilisiert und erkennen sie als gleichwertig an. Dies schafft die Basis für das Verständnis von Antisemitismus als etwas nicht Akzeptierbaren.
Lernfeld 2: Judentum in Tradition, Werten und Kultur
Dieses Themenfeld verbindet Informationen über jüdische Feiertage, Ritu- ale und Ethik, stellt sie im Zusammenhang mit dem Leben der Schülerinnen und Schüler dar und bieten so eine Hilfe zum besseren Verständnis der wich- tigsten Prinzipien des Judentums. So gibt es eine Einführung in verschiede- ne Riten, Feiertage und Glaubenskonzepte. Die Schülerinnen und Schüler sollen dazu angeregt werden, diese Konzepte mit ihren eigenen Zielen und Werten zu vergleichen und so einen persönlichen Zugang zu diesen Themen zu entwickeln.
Dieses Themenfeld ist vor allen Dingen für Schülerinnen und Schüler der Grundschule konzipiert worden, deshalb wird neben den Themenvorschlägen auf eine differenzierte Fragestellung zurückgegriffen. Ausgehend von ihrer Lebenswelt assoziieren die Schülerinnen und Schüler ihre Fremdbilder des Judentums und erhalten einen Überblick über die kulturell-religiösen Grundlagen dieser Religion.
Die Schülerinnen und Schüler erhalten eine Orientierung der zu behandeln- den drei Themenbereiche: Jüdische Feiertage, Kaschrut und Ritualgegenstände und erarbeiten sich diese.
Für die Einheit bietet sich methodisch das Stationenlernen an.
Die zehn Arbeitsblätter zu Chanukka, Pessach, Rosh Haschana und Jom Kippur, Schabbat, Kaschrut, Kippa, Mesusa, Siddur, Tallit und Thora bieten sich besonders für diese Methode an. Mögliche Arbeitsformen wären: eine (Foto-)Kollage oder eine Reportage zu erstellen, ein Poster zu basteln, einen Einkaufszettel zu schreiben, einen Tisch feierlich zu decken, sich ein kurzes Theaterstück auszudenken, ein Interview zu führen etc.
Anhand von Arbeitsaufträgen mit Pflicht- und Wahlaufgaben sollen die Schülerinnen und Schüler alle Stationen in einer bestimmten Zeit durchlaufen und so am Ende auf einem gemeinsamen Wissensstand sein.
Lernfeld 3: Verfolgung und Widerstand in der NS‑Zeit
Dieses Themenfeld führt in das Thema Verfolgung und Widerstand in der Zeit des Nationalsozialismus ein. Dabei wird die Situation junger Jüdinnen und Juden behandelt. Über das Aufzeigen von Bezügen des Nationalsozi‑ alismus zur islamischen Welt wird eine Brücke zur eigenen Biographie der Schülerinnen und Schüler gebaut. Darüber hinaus wird an verschiedenen Beispielen des Widerstandes gezeigt, was und aus welcher Motivation her‑ aus gegen die totalitäre Herrschaft und den Holocaust getan wurde und was nicht. Auch hier werden wiederum Bezüge zur islamischen Welt hergestellt.
Bei der schulischen Vermittlung des Themas „Verfolgung und Widerstand in der NS‑Zeit“ stehen die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter heutzutage vor der Herausforderung, das Thema für Schülerinnen und Schüler neu aufzubereiten. Die zunehmende zeitliche Distanz zur Epoche erschwert die pädagogische Vermittlung. In Hinblick auf unsere Zielgruppe ist zudem die Frage nach einer interkulturellen Herangehensweise an die Thematik zentral für den Unterricht.
Das Ziel des Themenfelds ist die Vermittlung der Wirkung und Reaktionen auf die menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten mit Bezug auf die Relevanz für die Gegenwart. Zugänge für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund werden betont, aber das Material ist für eine breite Gruppe von Schülerinnen und Schülern konzipiert.
Lernfeld 4: Nahost
Dieses Themenfeld beschäftigt sich mit dem Thema der wirtschaftlichen Struktur im Nahen Osten, wie etwa der Wasserversorgung. Es wird ein israelisch-palästinensischen Wachstumsprojekt vorgestellt, dass zeigt, wie es gelingen kann, ethnische und nationale Spannungen zu überwinden. Der Fokus auf wirtschaftliche und technologische Aspekte des Wandels im Nahen Osten ermöglicht den Schülerinnen und Schülern neue Sichtweisen von Herausforderungen und Möglichkeiten eines Wandels in der Region, die weit über den Israel-Palästina-Konflikt hinausgehen. Dieses Themenfeld betont also die Kooperation vor dem Konflikt.